Austellung! Worpsweder Kunsthalle 23.03.2025 - 15.06.2025 Wiederentdeckt - Hanna Ahrens
Durch einen Flohmarktfund von Frank Fenken im Oktober 2022 wird die Geschichte der Künstlerkolonie Worpswede um ein weiteres, kunsthistorisch gesehen wertvolles Kapitel bereichert. Die Werke und die Biographie der Worpsweder Künstlerin Hanna Ahrens (1903 in Bremen geboren) waren über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Niemand konnte sich an die Malerin erinnern, dabei war sie über 25 Jahre mit ihren hervorragenden Arbeiten und ihren vielfältigen sozialen Kontakten zu den Worpsweder Künstlern, in der Zeit zwischen 1931 - 1956, ein fester Bestandteil der Worpsweder Kunstszene.
Monatelange, intensive Recherchen in Archiven (Staatsarchiv Bremen, Landesarchiv Stade, Universität Bremen, Bremer Adressbuch, Heimatverein Lilienthal, Ortsarchiv Worpswede) und letztendlich der Kontakt zu ihrem Sohn, Michael Ahrens (gestorben 24.12.2023), der sich nach Erscheinen eines Zeitungsartikels in der Wümme-Zeitung bei Frank Fenken meldete, ermöglichen es dem Autor, das Leben der Hanna Ahrens zu erzählen.
Er machte die Worpsweder Kunsthalle auf Hanna Ahrens Werke und ihr dramatisches Leben in Worpswede aufmerksam. Schließlich gelang es ihm diese von der Idee einer Ausstellung über die Malerin zu überzeugen. Fenken stellte wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Recherchen über Hanna Ahrens, die ausschließlich auf ihn zurückzuführen sind, zur Begleitung der Austelllung zur Verfügung. Bis auf wenige Ausnahmen, lieferte er leihweise den Großteil der ausgestellten Exponate (Gemälde, Zeichnungen, Plastiken, Skizzen, Fotografien, Briefe und Dokumente).
Einen Platz in der Geschichte der Worpsweder Künstler hat die Künstlerin ganz sicher verdient.
Um Hanna Ahrens, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurde (1937 Entmündigung, 1943 androhende Kindeswegnahme und Zuchthaus) als Mensch zu würdigen und um ihre Arbeit vor der Vergessenheit zu bewahren, wird hier ihre Geschichte erzählt.
Besonderer Dank gilt Michael Ahrens und seiner Frau Gudrun, die dem Autor in vielen Stunden das Leben der Künstlerin und spannende Geschichten aus Worpswede erzählten. Zahlreiche Briefe, Fotografien, Dokumente und Arbeiten, die die Familie zur Verfügung stellte, ergänzten seine umfangreichen Recherchen.
In der Galerie finden sie einen Auszug der wiedergefundenen Werke.
Worpsweder Künstlerin
Hanna (Anna Gesine) Ahrens, 28.06.1903, Bremen - 29.1.1985, Bremen, bekam ihr Kunsttalent offensichtlich vom Großvater Johann (Hinrich) Ahrens in die Wiege gelegt.
Bereits 1 Jahr nach ihrer Geburt verlor sie ihren Vater, wurde von ihrer leidenden Mutter zur Großmutter gegeben und wuchs dort auf, bis ihre Mutter 1909 wieder heiratete. Mit 6 Jahren kam sie ins Elternhaus zurück, musste sich an den neuen Vater und den Nachnamen Menz gewöhnen und begann im April ihre Schulzeit in Mädchenschule Kippenberg, Bremen.
Obwohl sie eine sehr ehrgeizige Schülerin war (Note ´gut´ war das schlechteste) und sich sofort das musische Talent zeigte, hatte sie erhebliche Schwierigkeiten wegen ihrer ständigen Streiche. Vielleicht war daran auch ihr Großvater Schuld, der ihr als Lehrer einiges erzählen konnte. Von ihrem Vater (Gerichtsschreiber) erbte sie auch die Vorliebe für ausdrucksvolle Schreibweisen. Hanna Ahrens beschäftigte sich lange Zeit mit der Kalligraphie.
Während ihres ersten Schuljahres wurde ihre Halbschwester Gertrud Menz geboren, zu der sie zeitlebens ein gespanntes Verhältnis hatte.
Mit 15 Jahren wurde sie im Bremer Dom konfirmiert und beginnt im selben Jahr eine Lehre in der Firma Otten & Co., Bremen, wo sie anschließend auch noch 1 Jahr als Angestellte arbeitet.
1920er - 1940er Jahre
1921 wechselt sie zur Amexo Dampfschifffarts-Linie, Bremen, wo sie es nur 2 Jahre hält. Sie erkennt ihre Neigungen und beginnt mit 21 Jahren als Directrice in der Nordd. Wäschefabrik, Bremen. Drei Jahre lang entwirft sie Kleider- und Wäschemuster, macht sich dann mit der Norddeutsche Wäsche-Ausstattungs-Werkstatt Ahrens & Co selbstständig und besucht nebenbei die Staatl. Kunstgewerbeschule zu Bremen.
Nun beginnt sie, intensiv zu malen und findet ihren besten Freund, den weißen Königspudel Diego.
Von 1927 bis 1930 lernt sie im Schnelldurchgang Malen, Modellieren und alles, was damit zusammenhängt. Studienzeit an der Reimann-Schule, Berlin (mit dem berühmten Reimann-Ball), an der Ecole Nationale Superieure des Beaux-Arts, Paris, und in der Schule für Bildende Kunst Hans Hofmann, München. Die Zeugnisse bestätigen ihr mehr als ein gutes Talent.
Durch ihre vielen Künstlerfreunde verschlägt es sie nun nach Worpswede, wo sie ab 1931 in Haus-Nr. 122 (Auf der Dohnhorst) lebt und ab 1932 bei Max Toeppe zur Miete wohnt. Sie ist nun auch Mitglied der Reichskulturkammer.
Während sie unaufhörlich malt und modelliert, pflegt sie einen regen Gedankenaustausch mit bekannten Künstlern, die zu ihrem großen Freundeskreis zählen. Noch vorhandene Briefe und Karten von u.a. Martha Vogeler, Helmut Vinnen, Ernst Krüger-Lindhorst, Karl Krummacher, W. Scharrelmann lassen erkennen, welche engen Freundschaften bestanden.
1936 wurde Hanna Ahrens Mitglied des Volksbildungswerks Worpswede.
Mit dem Erlös der verkauften Bilder und Plastiken baut sie in Worpswede ein eigenes Haus auf einem schönen großen Waldgrundstück gegenüber dem Freund Ernst Licht.
Zum Richtfest hält Heinz Dodenhoff 1936 eine besondere Rede.
Walter Bertelsmann und Martha Vogeler erweitern ihren Freundeskreis, sie stellt u. a. in Worpswede und Lüneburg aus.
1937 - 1939 Entmündigung wegen Trunksucht. Hanna Ahrens wehrt sich unter größten Anstrengungen erfolgreich gegen die Entmündigung, die nach zwei Jahren wieder aufgehoben wird. Trotz Berufsverbot nimmt Hanna Ahrens in dieser Zeit an Ausstellungen Teil.
1938 Ausstellung einer Arbeit "Gemüsestillleben" zum "Niederdeutscher Malertag an 02.11.1938 in Worpswede". 'Die ersten Worpsweder' (Ausstellung in der Großen Kunstschau) und 'Die späteren Worpsweder' (Ausstellung Philine Vogeler / Ausstellung Netzel). Gaukulturwoche Ost-Hannover 1938. Hier wurde ebenso ein Werk von Paula Modersohn-Becker ausgestellt, die zu dieser Zeit von den Nationalsozialisten als entartete Künstlerin eingestuft wurde.
Ständig bewirtete sie Freunde aus der Worpsweder Kunstszene und Bekannte in ihrem geräumigen Haus, doch nun vermietet sie auch an besonders bedürftige Personen und verpflegt sie auch teilweise, denn der große Garten wirft in dieser schlechten Zeit einiges ab.
1942 beginnt eine aufregende Zeit für Hanna Ahrens. Mit dem aus Algerien stammenden französischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter Maurice Schneeberger, der in der Gärtnerei Schneegaß arbeitet, lernt sie mit 39 Jahren ihre ganz große Liebe kennen, die nicht ohne Folgen bleibt. Ein Jahr später 1943 wird ihr Sohn Michael geboren. Hanna Ahrens weigert sich, den Vater anzugeben, nimmt etliche lange Verhöre und Androhungen in Kauf, um ihren Geliebten und sich vor angedrohte Konsequenzen zu schützen. Kurz vor einer Verurteilung bietet ihr Freund Bernhard Huys seine Hilfe an und gibt sich als Vater aus, obwohl er selber bereits verheiratet ist und Familie hat. Überglücklich schenkt Hanna Ahrens ihm aus Dankbarkeit einen Teil ihres Grundstücks auf dem Familie Huys ein Haus baut und sie werden Nachbarn.
Am 18.08.1944 wird Hannas Mutter bei einem schweren Fliegerangriff über Bremen ausgebombt. Hanna nimmt sie mit im Haus auf. Kurze Zeit später stirbt der geliebte Großvater.
Doch Hanna Ahrens hat alle Hände voll zu tun. Das Haus ist voller Flüchtlinge, es wird „gehamstert“, der Garten muss viel abwerfen. Wenn kein Torf (zum Heizen) gekauft werden kann, muss mal wieder ein Baum gefällt werden. Wegen der fehlenden Müllabfuhr werden im eigenen Wald regelmäßig tiefe Gruben für den Abfall gegraben. Kanalanschluss ist unbekannt – die Sickergrube muss ständig ausgeschöpft werden. Fließendes Wasser gibt es nur, wenn die hauseigene Pumpe immer wieder repariert wird. Der nächste Laden ist 3 km entfernt, ein Auto oder Fahrrad gibt es nicht. Ohne Mann im Haus wird alles geschafft, und sogar das Malen kommt nicht zu kurz.
Ab 1948 bessert sich die wirtschaftliche Situation. Eine Einladung zur Kunstausstellung in Kampen, Sylt, zeigt, dass es auch künstlerisch wieder aufwärts geht.
Manfred Hausmann zählt nun zu ihren engeren Freunden. Eine lebensgefährliche Lungenentzündung nimmt ihr fast wieder den geliebten Sohn.
1950er - 1980er Jahre
Bernhard Huys schreibt 1950 Maurice Schneeberger einen emotionalen Brief, mit der Bitte um Kontaktaufnahme zu Hanna Ahrens und dem gemeinsamen Sohn Michael. Der Brief bleibt unbeantwortet. Vielleicht ist das Ausbleiben einer Nachricht ihres Geliebten 1950 der Grund für ihren Austritt aus der Kirche. Es entsteht eine Nähe zu den Zeugen Jehovas.
Um ihrem Sohn Michael den Besuch des Gymnasiums in Bremen zu ermöglichen, nehmen sich beide ein kleines Zimmer in Bremen und sind nur noch am Wochenende in Worpswede, wo die Mutter unter immer größeren Schwierigkeiten Haus und Garten verwaltet. Schließlich wird das Haus verkauft, und alle 3 ziehen nach Bremen in eine Wohnung am Osterdeich.
Nun wirft das Malen nicht mehr genug Verdienst ab, und Hanna Ahrens versucht sich ab 1956 zusätzlich mit einigem Erfolg als Krankenpflegerin, Zigarrenherstellerin, Kontoristin und private Fürsorgerin.
Von 1970 bis 1977 entstehen noch einige interessante Ölgemälde. Dann zwingt sie ihr körperlicher Zustand zur Ruhe.
Hanna Ahrens, die sich nie etwas aus Reichtum und schon gar nicht aus Ruhm machte, die als unbequeme Einzelgängerin nur ihren Sohn längere Zeit ertragen konnte und nie an das Alter dachte, muss nun von Erinnerungen und der Fürsorge leben.
Mit 78 Jahren ahnt sie ihr Ende voraus, macht ihr Testament, versucht dann noch 4 Jahre das Leben bescheiden zu genießen und stirbt nach kurzem Krankenhaus- und Pflegeheimaufenthalt mit 82 Jahren am 29.1.1985 in Bremen.
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